LWLMKK-Nudes-Meidner Männlicher Akt,verso Apokalyptische Stadt
LWLMKK-Nudes-Meidner Männlicher Akt,verso Apokalyptische Stadt

Nackte in Münster

 

Er fasziniert, er empört, er erregt und er inspiriert: der Akt

 

20. März 2024, per Zug ab Bahnhof  Marl-Sinsen

Führung um 16:00 Uhr, LWL Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster

Einkehr: 18:00 Uhr Töddenhoek

Kosten:  18,00 EUR für die Bahnfahrt, Eintritt und Führung

 

Wer hätte das gedacht – 30 biedere Sinsenerinnen und Sinsener (und Zugereiste) machten sich auf ins betuliche Münster, um Darstellungen nackter Körper aus den letzten 150 Jahren anzusehen! Das LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster zeigte die Sonderausstellung „Nudes“ in Zusammenarbeit mit der Londoner Tate mit weit über hundert Gemälden, Fotografien und Skulpturen. Viele bekannte Künstlernamen waren dabei, etwa Francis Bacon, Lucian Freud, Pablo Picasso, Henry Matisse, Auguste Rodin, Edward Munch, …..

 

Die Ausstellung beleuchtet unterschiedliche Interpretationsweisen des Akts und dessen kunsthistorische Entwicklung. Dabei greift sie Themen wie den männlichen Blick auf den nackten Frauenkörper und die Frage nach Geschlecht und Identität auf. Die Darstellungen erwecken Gefühle, stimmen nachdenklich, provozieren, werfen die Frage nach Schönheitsidealen auf: Wer bestimmt, was schön ist? Der englische Ausstellungstitel wurde von der Tate vorgegeben, von der immerhin 77 der Werke stammen. „Radikal nackt“ war der Titel, den sich die Münsteraner Kuratoren gewünscht hätten – passender?

 

Im 19. Jahrhundert veranschaulichen nackte, herrliche Helden religiöse, mythische Erzählungen. Frauen erscheinen passiv und verletzlich. Im 20. Jahrhundert ändert sich das: Schon bei Rodins legendärem Kuss (1901, Marmor, 3,5 Tonnen schwer) hat die Frau die aktive Rolle inne – ob Abbildungen dieser Skulptur deswegen bis 1957 untersagt waren?

Die Akte werden werden nun zunehmend in den privaten Raum verlegt, es sind Individuen, die ganz intimen Tätigkeiten nachgehen, als stünden sie nicht unter Beobachtung. Die Darstellungen werden seltener beschönigend oder idealisierend, stattdessen immer schonungsloser, teils verstörend.

 

Ganz neu ist dann die feministische Perspektive, die rassistische und sexuelle Stereotype, den männlichen Blick, hinterfragt und umdreht. Die Guerilla Girls prangern 1989 an, dass weniger als fünf Prozent der in Museen ausgestellten modernen Kunst von Frauen stammt, hingegen 85 Prozent der Akte weiblich sind! Auch die queere Künstlerszene bekommt Raum und eröffnet ganz neue Perspektiven, etwa durch die fotografischen Selbstporträts von Zanele Muholi.

 

Eine sehenswerte Einführung mit vielen Abbildungen findet man bei WDR West-Art.

 

Übrigens: ganz passend zum Thema hat eine Führung speziell für Naturisten stattgefunden. Über hundert von ihnen reisten aus ganz Deutschland an und trugen nichts außer gelegentlich Socken. (Trotz frühlingshafter Außentemperaturen entledigten sich die Sinsener hingegen nicht ihrer Kleidung.)

 

Nach so viel Fleisch ging es zum gemütlichen Teil, dem kulinarischen Ausklang mit Krüstchen, Töttchen und Wirsingrouladen. Eine inspirierende Exkursion!



LWLMKK-Nudes-Guerilla Girls, Müssen Frauen nackt sein um ins MET-Museum zu kommen?
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